AEVO-Rahmenplan: Lernbegleitung statt Unterweisung?

Die Rollen der Ausbilder/-innen
Der AEVO-Rahmenplan wurde 2023 aktualisiert, um einer sich verändernden Ausbildung gerecht zu werden. Der neue Rahmenplan nimmt wichtige Aspekte, wie Nachhaltigkeit, digitale Medien oder Inklusion in den Fokus. Zentral ist dabei die Rolle der Ausbilder/-innen als Lernprozessbegleiter.
Mit der neuesten Reform der AEVO setzt sich auch ein verändertes Rollenverständnis der Ausbilderinnen und Ausbilder durch: Lernprozesse sind individuell, dynamisch und partizipativ. Der Begriff „Lernbegleitung“ bringt dies zum Ausdruck, indem er den Fokus auf die aktive Rolle der Auszubildenden legt. Statt Wissen vorzugeben, schaffen Ausbilder/-innen Lernumgebungen, in denen Auszubildende selbstständig Probleme lösen, Wissen konstruieren und Erfahrungen sammeln können.
Didaktisches Verständnis: Konstruktivistisches Lernen als Leitprinzip
Hinter dem neuen Rollenverständnis steht ein konstruktivistisches Lernverständnis. Dieses geht davon aus, dass Lernen ein individueller Prozess ist, bei dem Wissen nicht einfach übertragen, sondern aktiv von den Lernenden aufgebaut wird. Lernbegleitung setzt an entscheidenden Punkten an:
- Individuelle Förderung: Jeder Auszubildende bringt unterschiedliche Vorkenntnisse, Stärken und Lernbedarfe mit. Die Lernbegleitung ermöglicht eine gezielte Unterstützung entlang dieser individuellen Unterschiede.
- Selbstgesteuertes Lernen: Anstatt starren Anweisungen zu folgen, entwickeln Auszubildende durch gezielte Impulse eigene Lösungswege.
- Reflexion und Feedback als zentrale Elemente: Lernbegleiter regen zum Nachdenken über Lernprozesse an und ermöglichen so nachhaltiges Lernen.
- Praxisnahe und situative Lernangebote: Auszubildende lernen nicht nur theoretische Inhalte, sondern wenden diese in realen Arbeitssituationen an, wodurch eine hohe Transferleistung entsteht.
Lernbegleitung schafft Mehrwert für die betriebliche Ausbildung
Die Umstellung des Rollenverständnisses zur Lernbegleitung bringt eine Vielzahl von Vorteilen mit sich:
- Höhere Eigenverantwortung der Auszubildenden: Sie lernen nicht nur, was sie tun müssen, sondern auch, warum sie es tun. Das stärkt die Motivation und das langfristige Behalten des Gelernten.
- Flexibilität im Lernprozess: Lernbegleitung ermöglicht es, Inhalte an aktuelle Herausforderungen und Arbeitsanforderungen anzupassen, anstatt sich strikt an Lehrpläne zu halten.
- Förderung von Schlüsselkompetenzen: Kritisches Denken, Problemlösungsfähigkeiten und Selbstorganisation werden stärker entwickelt als in einer rein unterweisenden Ausbildung.
- Attraktivität der Ausbildung steigern: Die junge Generation erwartet zunehmend eine moderne, interaktive Lernkultur. Unternehmen, die dies bieten, positionieren sich als attraktive Ausbildungsbetriebe.
Das alles bedeutet keinesfalls, dass die klassische Anleitung von Auszubildenden ausgedient hätte. Die zentrale Aufgabe der Ausbilder/-innen besteht nach wie vor in der Wissensvermittlung, wie sie beispielsweise im Modell der vollständigen Handlung angelegt ist. Hierbei wird ein Arbeitsauftrag in die Phasen Informieren, Planen, Entscheiden, Ausführen, Kontrollieren und Bewerten gegliedert – einen Ablauf, der sowohl Unterweisung als auch Lernbegleitung erfordert.
Unterweisungen müssen also nach wie vor erfolgen, bei sicherheitsrelevanten Arbeitsabläufen zum Beispiel sind sie unerlässlich. Aber der Begriff „Unterweisung“ wird in der modernen berufspädagogischen Diskussion seltener verwendet oder durch andere Begriffe ersetzt. Er stammt aus einem eher traditionellen, lehrerorientierten Verständnis von Ausbildung und klingt in der heutigen Bildungslandschaft für viele veraltet.
Je nach Kontext gibt es verschiedene Begriffe, die statt „Unterweisung“ verwendet oder bevorzugt werden:
- Anleitung: allgemeiner, weniger hierarchisch – oft für praktische Einführungen in Arbeitsschritte
- Einweisung: häufig bei sicherheitsrelevanten oder technischen Themen (z. B. Maschinen, Arbeitsschutz)
- Instruktion: fachlich-technischer Begriff, oft im Schulungskontext
- Einarbeitung: umfassender Begriff für den Einstieg in Aufgaben oder Tätigkeiten
- Erklärung / Demonstration: in methodischer Beschreibung von Lernprozessen (z. B. in Ausbildungsplänen) verwendet
- Vermittlung von Grundlagen: wird oft in didaktisch moderner Sprache genutzt
- Initiale Qualifizierung: in modernen Trainings- oder Lernsystemen verwendete Umschreibung
Die wesentlichen Unterschiede zwischen „Unterweisung“ und Lernbegleitung zeigt diese Tabelle:

Fazit: Die Zukunft der Ausbildung ist dialogisch
Die moderne Rolle der Ausbilder/-innen bringt mit dem Konzept der Lernbegleitung eine zeitgemäße, zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Ausbildung. Anstelle von starren Vorgaben steht die Förderung individueller Lernprozesse im Mittelpunkt. Dies stellt neue Anforderungen an die Ausbilder/-innen, eröffnet aber auch zahlreiche Chancen für eine effektive, motivierende und nachhaltige Ausbildung. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv gestalten, profitieren langfristig von kompetenteren und engagierteren Fachkräften.
Zeitgemäße AEVO-Kurse tragen dieser Novellierung Rechnung und zeigen Wege auf, wie die aktive Lernbegleitung von Auszubildenden funktionieren kann. Vom Einsatz digitaler Medien in der Ausbildung bis zum Umgang mit heterogenen Gruppen – die Themen sind ebenso vielseitig wie herausfordernd.